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Materialien für eine deutsche Tragödie

  • Werner Waas
  • 28. November 2015
  • TATWERK | Berlin

Eine Geschichte von Sarkasmus und Empathie über Macht, Utopie und Tod vor dem Hintergrund des Terrorismus der 70er.

Sharing Before Showing
Eine Frau mittleren Alters liest am rechten Bühnenrand sitzend aus einem dicken Textbuch, ihr Schatten reicht bis zur hinteren Wand auf welcher eine live-Videoprojektion ihres Gesichts zu sehen ist. © Aurora Kellermann

History reproducing itself becomes farce,
Farce reproducing itself becomes history
Jean Baudrillard

Auf etwa 200 Seiten erzählen über 100 Stimmen in einer losen Szenenfolge von den Ereignissen des Deutschen Herbstes. Ein verrückter Blick auf Geschichte, der die deutsch-italienische Spiegelung nutzt, um rhetorische Schleier sichtbar zu machen und das Heute im Nebel der Vergangenheit zu suchen. Italienische und deutsche Schauspieler unterschiedlicher Generationen spielen in und mit deutscher Sprache und Geschichte und mit allem, was Übersetzung heißt. Sie springen zwischen Erzählung und Spiel hin und her, dolmetschen und improvisieren. Leitfaden bleibt der fremde Blick und der Umgang der Schauspieler mit historischen Figuren, die an- und ausgezogen werden wie Handschuhe, die man ausprobiert und bald darauf wieder wechselt. Teilweise wird gelesen, manches nur angespielt, für eine Spielform, die sich zwischen Brecht, Totò und dem Happening bewegt.Wie um die Atmosphäre eines typischen italienischen Plenums zu schaffen, wo die langen politischen Diskussionen immer durch gemütliches Essen und Trinken begleitet werden, wird nach der sechsstündigen Performance gemeinsam ein kleines, schmackhaftes italienisches Gericht mit einem Glas Wein genossen.

Mit »Materialien für eine deutsche Tragödie« gewann Antonio Tarantino 1997 den renommierten Riccione-Preis für Gegenwartsdramatik. Diese riesenhafte Momentaufnahme der Terrorwelle des Jahres 1977 wird erstmalig in Deutschland aufgeführt. Der Autor Tarantino erklärt: »Ich habe nicht über die Brigate Rosse schreiben wollen, weil diese Ereignisse uns zu nah sind, sowohl in politischer als auch emotionaler Hinsicht«. In seiner Abgrenzung gegenüber der geschriebenen Geschichte schafft Tarantino einen theatralen Zwischenraum, in dem sich die Sprache emanzipieren und damit ihr rhetorisches und subversives Potential manifestieren kann.

In diesem Karussell sind die jungen Utopisten, die Terroristen, nur noch monologisierende Monumente der Verlorenheit. Die von ihnen herausgeforderten institutionellen Machthaber wirken umso mehr wie Karikaturen, je mehr ihre Sprache den Diskurs der Macht formuliert. Heraus kommt das Zerrbild eines Staates, das ebenso gut auf die 70er Jahre, wie auf unsere Gegenwart verweist, in der sowohl die Verschleierungstechniken von Wirklichkeit als auch der Kampf auf Leben und Tod zwischen Staatsmacht und Terrorismus ungeahnte Ausmaße angenommen haben. Die Macht bleibt sich selbst immer treu.

Ein Experiment mit Sprache, Geschichte und wechselnden Blickwinkeln mit einem Ensemble, das Stars der Berliner Performanceszene wie Lajos Talamonti (vom Performancekollektiv Interrobang) und Armin Wieser (Hans Werner Krösinger u.a.) mit italienischen Schauspielern (Lea Barletti, Carlo Loiudice) und deutsch-italienischen Grenzgängern wie Werner Waas (Regie/Schauspiel), Elettra de Salvo (Schauspiel) oder auch Barbara Weigel (Video/Dramaturgie) mischt. Dazu kommt noch ein Musiker aus dem Team von »Martin Clausen und Kollegen«.

Im Verlauf der Proben wurden zwei Workshops absolviert, welche die Arbeit mit generationsübergreifenden Reflexionen und Einwürfen bereichert haben.  Zum einen mit Schülern der 10. Klasse der italienisch-deutschen Albert-Einstein-Oberschule in Britz und zum anderen mit älteren Menschen in Zusammenarbeit mit dem Theater der Erfahrungen in Schöneberg. Die Reflexionen jener, die diese Jahre erlebt haben und derer, die damals noch nicht geboren waren, wurden in den Probenprozess integriert und eingearbeitet.

Eine Produktion von ITZ Berlin im Rahmen von »Fabulamundi.Playwriting Europe - Crossing Generations«
Mit Unterstützung des Kulturprogramms »Kreatives Europa 2014 – 2020« der Europäischen Union, des Kofinanzierungsfonds des Berliner Kultursenats und des italienischen Kulturinstituts.

Mitwirkende

Mit: Lea Barletti, Elettra de Salvo, Carlo Loiudice, Lajos Talamonti, Werner Waas, Armin Wieser, Harald Wissler
Regie / Übersetzung: Werner Waas
Regieassistenz: Archil Svimonishvili
Dramaturgie / Video: Barbara Weigel
Musik: Harald Wissler
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Aurora Kellermann

Termine

Premiere:
13. Dezember | 18 Uhr
VIERTE WELT | Berlin

Voraufführungen:
28. November | 18 Uhr
TATWERK | Berlin

5. Dezember | 18 Uhr
Hauser – Dramatische Republik | Berlin